Runtastic schöpft als Plattform nicht bloß Daten über das soziale Leben ab, sondern verändert dieses auch. Als kulturelle Praxis produziert sportliche Aktivität nicht notwendigerweise Verhaltensdaten. Es ist stattdessen auch der Datenabhängigkeit solcher Geschäftsmodelle geschuldet, dass bestimmte Aspekte sportlicher Praxis betont werden, während andere weniger Raum finden. Die Betonung des Wettbewerbsaspekts etwa fördert die Datenproduktion; wenn Nutzer:innen sich miteinander im Wettkampf messen, benötigen sie dazu ein Maß, und eben dieses Maß erfordert wiederum Datenproduktion und -analyse. In der Ansprache der Nutzer:innen auf der Plattform artikuliert sich dieser strukturelle Imperativ der Datenökonomie, so viele und diverse personenbeziehbare Daten wie nur möglich zu sammeln, wenn etwa dazu aufgerufen wird, aktiv zu werden, sich gegenseitig anzuspornen und die eigene Leistung messbar zu verbessern.1 Eben diese strukturelle Tendenz führt auf Seiten der Plattformbetreibenden, die immer in irgendeiner Form an bereits bestehende Praktiken andocken (selbst wenn sie diese dann bis zur Unkenntlichkeit transformieren), dazu, genau jene Aspekte der kulturellen Praxis und der mit ihnen verknüpften Dispositionen zu fördern, deren Umsetzung per se Datenproduktion involviert oder zumindest Datenproduktion ermöglicht. Die Plattform verspricht somit, die Nutzenden bei der Selbst-Formung zu unterstützen, sofern diese bereit sind, Daten über sich zu generieren. Die durch die Plattform angebotene Selbst-Formung ist demnach keine beliebige Form der Selbstgestaltung, sondern eine datenförmige, quantifizierende und wettbewerbliche Form der Selbst-Formung.
Ochs, Carsten / Büttner, Barbara (2019): Selbstbestimmte Selbst-Bestimmung? Wie digitale Subjektivierungspraktiken objektivierte Datensubjekte hervorbringen. In: Ochs, Carsten/Friedewald, Michael/Hess, Thomas/Lamla, Jörn (Hg.): Die Zukunft der Datenökonomie: Zwischen Geschäftsmodell, Kollektivgut und Verbraucherschutz. Wiesbaden: Springer VS, S. 196.